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"Wir müssen Ängste ernst nehmen", so Sabine Monauni im Vaterland Interview

03. Januar 2022
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Interview im Liechtensteiner Vaterland am 31.12.2021, geführt von Dorothea Alber.

Für Sabine Monauni war es ein herausforderndes Jahr. Die Ministerin sagt: «Durch die Pandemie hat das Vertrauen in die Politik gelitten.»

Frau Monauni, Ihr erstes Kalenderjahr als Regierungsrätin ist vorbei. Wie haben Sie den Wechsel von der diplomatischen Karriere in die Politik wahrgenommen?

Sabine Monauni: Mit dem Wechsel von der Aussen- in die Innenpolitik bin ich jetzt sehr viel näher am Bürger. Gerade in meinem Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt bin ich für viele Themen verantwortlich, die in der Bevölkerung kontrovers diskutiert werden. Dies ist zuweilen anspruchsvoll, aber auch sehr spannend, weil man etwas bewegen kann.

Was war die grösste Herausforderung bisher in Ihrer Amtszeit?

Generell empfinde ich es als herausfordernd, die Öffentlichkeit bei schwierigen und komplexen Themen mitzunehmen, sodass eine offene politische Diskussion geführt werden kann. Das liegt sicher auch an der Informationsflut und den vielen verschiedenen teilweise radikalen Meinungen in den sozialen Medien. Nicht zuletzt hat durch die Coronapandemie das Vertrauen in die Politik, aber auch in die Wissenschaft gelitten. Wir müssen uns als Politiker daher weiter anstrengen, um hier Gegensteuer zu geben.

Wie kann das gelingen?

Wir müssen noch stärker auf die Menschen zugehen, Ängste ernst nehmen und verstärkt kommunizieren. Aber genau darin liegt auch die grosse Krux. Durch die Schnelllebigkeit heutzutage sind Menschen an einfache Botschaften gewohnt, doch für uns Politiker besteht die Verantwortung, auch differenziert und sachlich zu informieren. Gerade in Pandemiezeiten sind die Menschen zum Teil verunsichert und dazu bereit, Botschaften, die sie gerne hören wollen und sie in ihrer Meinung bestätigen, auf anderen Kanälen zu suchen.

Lässt die wissenschaftliche Datenlage Ihrer Ansicht nach zwei Meinungen in dieser Pandemie überhaupt zu?

Es ist zu unterscheiden zwischen Fakten, deren Interpretation und Meinungen. Auch wenn die Wissenschaftler noch nicht alle Fragen restlos beantworten können, haben wir heute eine grössere Datenbasis in Bezug auf wissenschaftliche Studien als noch zu Beginn der Pandemie. Wichtig ist, dass wir unterschiedliche Meinungen zulassen und gleichzeitig Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger schaffen, indem wir transparent informieren und unsere Entscheide möglichst gut begründen.

Ängste in der Bevölkerung bestehen nicht nur in Bezug auf Corona. Auch die hohe Casinodichte sorgt weiterhin für Streitstoff. Sind Sie überrascht, dass es drei Gesuche für weitere Spielbanken gibt, obwohl die Regierung die Eintrittshürden erhöht hat?

Nein, überrascht bin ich nicht. Eines der Gesuche ist schon seit dem Jahr 2019 hängig. Die anderen beiden Projekte waren zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verordnungsanpassung im Juli 2021 bereits so weit fortgeschritten, dass wir damit gerechnet haben. Wir sehen aber, dass seither keine weiteren Gesuche eingingen.

Mit der Verordnung werden Casinos stärker zur Kasse gebeten, die Auflagen steigen. Reicht das aus, um die «Casinoschwemme» zu beenden?

Die Entwicklung der letzten Jahre hat der Gesetzgeber sicher so nicht vorausgesehen. Dass die Casinodichte ein gewisses Unbehagen in der Bevölkerung ausgelöst hat, ist verständlich. Neben der Anpassung der Verordnung, die wir rasch erarbeiten konnten, werden wir auch im Rahmen der Motion «Casino-Bremse» weitere Massnahmen prüfen, um unerwünschten Entwicklungen entgegenzuwirken.

Welche diskutierten Massnahmen wären Ihrer Ansicht nach die wirksamsten?

Wie gesagt sind wir daran, dies im Detail zu prüfen. Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit müssen immer verhältnismässig und aus öffentlichen Gründen gerechtfertigt sein. Dabei müssen wir auch den Vertrauensschutz sowie die Rechtssicherheit beachten, zumal die bestehenden Casinos einige Investitionen in unseren Wirtschaftsstandort getätigt haben.

Wie viele Spielbanken sollte es in Liechtenstein maximal geben oder wie viele Spielbanken kann die Gesellschaft vertragen?

Das vom Landtag erlassene Spielbankengesetz sieht keine Höchstgrenze vor. Als Wirtschaftsministerin steht mir deshalb kein Urteil zu, wie viele Casinos es geben sollte. Dass Handlungsbedarf besteht, hat die Regierung erkannt. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt mittelfristig ohnehin konsolidieren wird aufgrund des derzeit relativ starken Verdrängungskampfs. Wir rechnen damit, dass einige Spielbanken das Land auch wieder verlassen werden, die Frage ist nur, wann das passiert.

Das Land nimmt fast 30 Millionen jährlich mit den Casinos ein. Dem stehen Ausgaben gegenüber: Bei einer Spielsucht entstehen oft lebenslange soziale Kosten durch Arbeitslosigkeit und Krankheit.

Die Einnahmen sind sehr beachtlich, welche der Staat durch die Spielbanken generiert. Deshalb lassen die meisten Länder, auch unsere Nachbarstaaten, Spielbanken zu. Die Frage ist aber natürlich, ob dies ein nachhaltiges Geschäft ist. Dabei sind die sozialen Kosten nur ein Aspekt. Klar ist, dass auch wenn es in Liechtenstein keine Spielbanken mehr gäbe, in der Region weiterhin mehrere Spielbanken operieren und auch das Onlinespiel zunehmend beliebter wird. Dieses ist in Liechtenstein bisher gänzlich verboten.

Die Spielbanken haben Sie dieses Jahr beschäftigt. Ein bewegtes Jahr war es auch aufgrund der Wirtschaftshilfen. Kurz vor Weihnachten sprach sich der Gastroverband sogar für einen Lockdown aus. War Liechtenstein mit den Wirtschaftshilfen zu grosszügig?

Die Situation ist von Betrieb zu Betrieb ganz unterschiedlich und hängt auch davon ab, ob er sich im Tal- oder im Berggebiet befindet. Ich denke, unsere Wirtschaftshilfen waren zielgerichtet und angemessen, auch wenn es verglichen mit der Schweiz sicher ein grosszügiges System ist. Mittel- und langfristig müssen wir von den Hilfen aber wieder wegkommen und die Betriebe müssen sich auf eine neue Ära nach Corona einstellen, der sicher eine Transformation vorausgehen wird.

Gibt es hierzulande ein Monitoring, wie Firmen die Coronakredite nutzen und welche Gefahren bestehen – so wie in der Schweiz?

Es gibt auch bei uns ein Monitoring. In diesem Rahmen gingen wir auch Verdachtsfällen nach, dennoch haben wir – bis auf einzelne schwarze Schafe –kaum Missbrauch feststellen können. Wir werden dies auch im kommenden Jahr weiter überprüfen.

Nun haben wir über Corona gesprochen und Casinos. Was hat Sie abgesehen davon in diesem Jahr am meisten beschäftigt?

Das Jagdgesetz. Wir haben hier durchaus Kompromissbereitschaft gezeigt, damit wir in einem jahrzehntelang diskutieren Thema einen Schlussstrich ziehen können. Dabei ist es uns gelungen, für die Kernanliegen der Vorlage im Landtag eine Mehrheit zu finden. Auf dieser Grundlage können wir nun einen Neustart in Sachen Wald und Wild wagen. Wobei es mich ganz besonders freut, dass die Jägerschaft uns ihre Zusammenarbeit bereits angeboten hat.

Das neue Jagdgesetz war die bisher umstrittenste Vorlage der Legislatur. Hand aufs Herz: Wie überrascht waren Sie, dass die Liechtensteiner Jägerschaft das Referendum doch nicht ergriff?

Mich hätte es eher überrascht, wenn die Jäger das Referendum ergriffen hätten. Denn in der zweiten Lesung sind wir einen grossen Schritt auf sie zugegangen und haben einige der Kritikpunkte in der Vorlage adressiert – eine Vorlage, die mehrheitlich gutgeheissen wurde. Wir haben zum Beispiel ein generelles Nachtjagdverbot für die Wildhut aufgenommen, die Jagdzeiten verkürzt und die Schonzeiten für das Wild verlängert.

Seit Jahren stand die «Wald-Wild-Problematik» auf dem politischen Tapet. Aber es konnte nie eine Vorlage ausgearbeitet werden, die von allen Interessengruppen akzeptiert wurde. Denken Sie, dass in Liechtenstein die Regierung häufig zu konsensorientiert handelt?

Nein. Ich bin selbst ein konsensorientierter Mensch. Aus diesem Grund denke ich auch, dass Lösungen, die auf einen Konsens basieren, längerfristig erfolgreicher sind als Reformen oder Vorlagen, die mit der Brechstange erzwungen wurden.

Bei einigen Themen will es die Regierung aber doch vielen recht machen und die Politik orientiert sich daran, was gesellschaftsfähig ist. Ein Beispiel: Die Ziele der Energiestrategie.

Ich denke, dass wir in Bezug auf die Energiestrategie 2030 einen breiten Konsens haben. Wir sind bei der Umsetzung auf Kurs, auch wenn wir die Ziele nur knapp erfüllen und bei den CO2-Emissionen knapp verfehlen. Wichtig wäre es aber, dass wir gerade zu Beginn die Ziele übertreffen, da es – je näher die zeitliche Ziellinie 2030 rückt – umso schwieriger wird, noch zusätzliche Massnahmen umsetzen. Daher erfordert es sicher noch grosse Anstrengungen von der Wirtschaft und der Bevölkerung. Das wird kein Selbstläufer.

Eine Abschlussfrage: Welches sind die nächsten Themen, die Sie beschäftigen werden im Jahr 2022?

Wir haben verschiedene Dossiers in Arbeit, so die Sanierung der Bergbahnen Malbun, die Klimastrategie 2050, den Agrarpolitischen Bericht und die Waldstrategie, um nur einige zu nennen. Die Arbeit geht also nicht aus.

«Es ist zu unterscheiden zwischen Fakten und Meinungen.»

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